Martin Engel
Platons Frühdialog ‘Laches’: Das Sokratische Erbe und der Dialog als Medium des philosophischen Gedankens
Vorwort
(1) Die mangelnde Ausgewogenheit der Teile in Platons Frühdialog ‘Laches’, eine Gestaltung, die der Einleitung allzu großen Raum beimaß, gab der Forschung lange Zeit Grund zur Kritik an der Komposition und Anlaß, die Echtheit der Schrift zu bezweifeln. Der breit ausgespannte Realkontext am Beginn des Textes wurde als Dekoration und entbehrliche Einkleidung des sogenannten ‚theoretischen‘ Hauptteils verstanden. Das wesentliche sah man im zweiten Abschnitt der Schrift mit den aporetischen Definitionsversuchen zur Tapferkeit (andreia) gegeben.
(2) Im Dialog holen die Sprechenden Antworten ein über das, was in Frage gestellt wurde. Wissen wird als Scheinwissen, feste Vorstellungen als Vorurteile entlarvt. Der Dialog dient der Wissensbildung. Er verspricht aber kein Wissen in der Gestalt letzt gültiger Sätze. Der Dialog spiegelt die Bemühung um Wissen und gibt damit selbst eine Form des Wissens in Gestalt von Fertigkeiten und Fähigkeiten der im Dialog versammelten Subjekte wieder.
(3) Die Funktion der einleitenden Teile und Rahmengespräche in den Frühdialogen ist erst im Laufe der Zeit genauer untersucht worden. In ihrer Gestaltung durch Platon enthalten sie einen Hinweis auf das philosophische Verständnis, das sich ihm durch den Umgang mit seinem Lehrer Sokrates erschlossen hat: das Sokratische Erbe Platons besteht im Sokratischen Dialog. Der Dialog ist Platon das Medium, in dem er Philosophie veranschaulicht und ist selbst – wesentlich – Philosophieren.
(4) Die Einleitungsteile der Frühdialoge stellen Beratungssituationen vor Augen, in denen Menschen übereinkommen, auf dem Wege einer vernünftigen Orientierung, die auf Sachkenntnis und Kompetenz gründet, eine Verständigung über und Begründung für ihr Handeln zu gewinnen. Am Beispiel der Einleitung zum ‘Laches’ (178 a 1-190 b 2) soll diese Bemühung gezeigt werden.
1. Wege der Forschung: zur Einordnung des ‘Laches’ im Corpus Platonicum, Abfassungszeit und Echtheitsfrage des Dialogs
Die Schriften Platons, von der antiken Akademie sorgfältig gehütet, ordnete der Mittelplatoniker Thrasyllos in neun Tetralogien[1] an: der ‘Laches’ – Aristoteles hat die Schrift nicht erwähnt, Thrasyllos sie als anerkannt echten Dialog aufgeführt[2] – wurde mit ‘Protagoras’, ‘Charmides’ und ‘Lysis’ zu einer Gruppe zusammengestellt und als die dritte unter den neun des Gesamtwerkes eingegliedert. Diese Anordnung rückte damit den Dialog und seine Entstehung in die Frühzeit von Platons Leben ein. Die Forschung des 19. Jahrhunderts (F.D.E. Schleiermacher, F. Ast, K.F. Hermann, K. Schaarschmidt) sichtete das gesamte überlieferte Corpus Platonicum kritisch, sonderte unechte Werke (‘Ion’, ‘Alkibiades’ I und II, mehrheitlich Briefe) aus und legte die chronologische Reihenfolge der Dialoge im großen und ganzen fest. Demnach bezeugen sie drei Hauptphasen der Entwicklung Platons:
a) die Frühzeit mit den sog. Frühdialogen[3], sokratischen Schriften, die eine Erinnerung an Sokrates Leben und Lehre im Bewußtsein halten wollen und geprägt sind von einer ethischen Thematik mit aporetischer Grundtendenz und der Kritik an sophistischer Tradition und Rhetorik[4];
b) die mittlere Zeit und die mittleren Dialoge, Schriften ausgearbeiteten systematischen Inhalts, die die spezifisch platonische Philosophie darstellen und nach fachlichen Schwerpunkten (Ethik, Metaphysik, politische Theorie) gegliedert sind[5];
c) die Spätzeit und ihre Spätdialoge, die eine systematische Ausarbeitung der Philosophie Platons in kritischer Selbstreflexion darstellen[6].
Die Zuordnung der einzelnen Schriften zu den drei Hauptphasen und ihre Abfolge innerhalb derselben ist, wie auch die Frage nach ihrer Echtheit, in der Forschung umstritten geblieben: für eine absolute Chronologie der Werke bieten sich kaum Anhaltspunkte[7] und auch die relative Chronologie bereitet erhebliche Schwierigkeiten. Die von Aristoteles beurkundeten Dialoge bildeten für Schleiermacher einen „Stamm, von welchem alle übrige nur Schößlinge zu sein scheinen“[8]. Die – inhaltliche und sprachliche – Verwandtschaft mit jenen Schriften gab das Kriterium für die Entscheidung über den Ursprung der übrigen Dialoge. Nur blieb man sich uneins, welche der Schriften Platons im ‚Stamm‘ exponiert stehen sollten: mit den angenommenen Beziehungen und Abhängigkeiten der einzelnen Dialoge entschied man immer zugleich auch über die nachfolgende Interpretation und den Geltungsanspruch auf Echtheit. Schleiermacher sah im ‘Phaidros’ einen ‚programmatischen‘ Dialog und bestimmte den ‘Protagoras’ als Abhandlung, die den übrigen Dialogen der Frühzeit vorangehe und den Hintergrund für deren Interpretation bilde: so müsse man z.B. die Frage nach der Definition der Tapferkeit im ‘Laches’ als eine Erweiterung und Anhang zum ‘Protagoras’ lesen. Die Kritik wandte sich gegen die Annahme des ‘Phaidros’ als ‚programmatischer‘ Schrift, denn wenn diese den allen Dialogen vorausgehenden methodischen Plan bilde, dann müsse man sich überlegen, inwiefern Platon „sein höchstes Ziel schon von vornherein mit solchem Bewußtsein vor Augen gehabt habe[…], daß seine ganze Schriftstellerei nichts als die planmäßige Ausführung der in seiner ersten Jugendschrift entworfenen Grundzüge gewesen wäre“[9]. In der Folgezeit kam es zu ganz unterschiedlichen Bestimmungen der Chronologie und Anordnungen der Dialoge untereinander.[10]
Die Frage nach der Echtheit des ‘Laches’ wurde vor allem von Schaarschmidt[11] aufgeworfen: er sah in dem Mangel einer ausdrücklichen Beglaubigung durch Aristoteles, der Resultatlosigkeit (Ausweglosigkeit, aporia; La. 194 c 5, 196 b 2, 200 e 5) der wissenschaftlichen Untersuchung im Dialog, der Nichtigkeit des Inhalts, der fehlenden Einheit des Gesprächs – dem Mißverhältnis der umfangreichen Einleitung (La. 178 a 1-190 b 2), fast die erste Hälfte des Textes, zum Hauptteil (190 b 3-199 e 12)[12] – und inhaltlichen Entlehnungen aus anderen echten und unechten Dialogen (Euthyd., Prot., Men.), Gründe gegeben, die Autorschaft Platons zu bezweifeln. Bonitz[13] unternahm den Versuch einer Widerlegung und analysierte den Dialog, um den Vorwurf der Resultatlosigkeit, der Gehaltlosigkeit und fehlender Einheit der Komposition zu entkräften: dabei mußte er aber das Mißverhältnis im Dialog zwischen der „Einkleidung über den Werth der Hoplomachie“ im Vergleich zur „begrifflichen Untersuchung“ im ausführenden Teil den Kritikern zugestehen. Erst im Verlauf der weiteren Forschung wurde die Bedeutung der breit angelegten Einleitung des Dialogs mit dem darin präsentierten Realkontext genauer untersucht: die allzu glatte Verteilung von ‚Praxis‘ und ‚Theorie‘ auf Einleitungs- und Hauptteil der Frühdialoge wurde als eine Simplifikation in der Betrachtung und Zuordnung erkannt, die Funktion der Einleitung und Rahmengespräche nicht dahingehend aufgefaßt, eine literarische Dekoration – eine kunstvolle, wenngleich entbehrliche Einkleidung – zum eigentlichen Inhalt der Philosophie beizusteuern, sondern verstanden als eine Strategie des Autors Platon, der die literarische Form in einem inneren – wesentlichen – Zusammenhang mit dem Inhalt sieht und diese als Mittel und Gegenstand zur Mitteilung des philosophischen Gedankens bewußt einsetzt.[14]
2. Zur Thematik und Charakteristik der Werke der Frühzeit
In fast allen Werken Platons nimmt die Figur des Sokrates eine zentrale Stellung ein: er hat in der literarischen Form von Dialogen seinem Lehrer, der als Vorbild seinem Leben und Denken die Richtung gab[15], ein Denkmal gesetzt, an ihn erinnert und die Sokratische Form des Philosophierens – „gemeinsame Erörterungen“ (suniontaV koinh bouleuesJai)[16] – vergegenwärtigt. Sokrates steht
a) in einer ersten Gruppe von Dialogen als Lehrer im Gespräch mit Nicht-Philosophen, während
b) eine zweite Textgruppe ihn im Kampf mit den anderen Philosophen im Athen seiner Zeit, den Sophisten und deren ‚eristischen‘ Argumentationsverfahren, profiliert.
Die Gespräche der ersten Gruppe (a) umfassen einerseits ethische (moralphilosophische) Werke, in denen die Fähigkeiten des methodischen, wissenschaftlichen Denkens geübt werden und also von erkenntnistheoretischer Bemühung zeugen. Die sokratische Frage lautet: „Was ist X?“[17] Es soll ein Begriff oder eine Idee (eidoV, idea) der in Frage stehenden Tugend (areth) ausgearbeitet werden. Der Begriff wird versuchsweise durch explizite Definitionen festgelegt. Die Partner sprechen etwa so miteinander, wie der historische Sokrates mit seinen Schülern diskutiert haben könnte. Die Gespräche, z.B. über Besonnenheit (swfrosunh; Charm.), Tapferkeit (andreia; La.), Freundschaft (jilia; Lys.) oder Gerechtigkeit (dikaiosunh; Thras.), führen meist nicht zu einer Lösung des jeweils im Anfang aufgeworfenen Problems. Jeder Versuch scheitert sinnvoll; die Dialoge sind ‚aporetisch‘, „weil sie ihr Ziel nicht erreichen, sondern in einer allen Partnern erfahrbar gemachten Ausweglosigkeit zu enden scheinen“[18]. Im Scheitern zeigt sich die Idee, die sich in der jeweiligen Voraussetzung (upoqesiV) des begrifflichen Verfahrens verbirgt. In diesen Dialogen werden Grundlagen für das Definitionsverfahren und die hypothetische Methodik gelegt.[19]
Neben diesen Werken steht andererseits eine Sammlung von Schriften, deren Grad der Authentizität im Dargestellten hoch ist: die Berichte von Sokrates Anklage und Prozeß (‘Apologie’), seinem Aufenthalt und den letzten Stunden im Gefängnis (‘Kriton’ und ‘Phaidon’).
In der zweiten Gruppe (b) wird in der Auseinandersetzung mit dem sophistischen Relativismus (‘Protagoras’, ‘Gorgias’) das Bemühen um eine Theorie des begründeten Wissens sichtbar: nicht die ‚Kunst des Widerspruchs‘ (antilogikh tecnh) und der Wille zum Rechthaben sollen handlungsleitend sein, sondern eine Bemühung, die auf Verständigung bzw. Übereinstimmung und auf Begründung geht (logon didonai).
3. Die Suche nach dem Sokratischen Erbe: Der Dialog als Medium des philosophischen Gedankens[20]
a) Vermittlung
„Das Gespräch des historischen Sokrates ist für uns verloren, und zwar mit Notwendigkeit. Denn zum Wesen seines Gespräches gehört, daß es mündlich war.“
„Platonischer Dialog spiegelt sokratisches Gespräch. Aber notwendig unterscheidet er sich von ihm im tiefsten Grunde.“[21]
Die Interpretation von Platons Werken muß die von Friedländer in den vorangestellten Zitaten beschriebenen Sachverhalte berücksichtigen:
- Der historische Sokrates hat seine Gedanken niemals in einer Schrift mitgeteilt. Die Mitte seines Philosophierens findet sich nicht in bestimmten Thesen, sondern in der Tätigkeit eines unablässigen Fragens wieder[22], d.h. im Gespräch mit seinen Schülern, interessierten Philosophen und Nicht-Philosophen, den Bürgern Athens: „Wenn es euch also nichts ausmacht, so redet jetzt und führt gemeinsam mit Sokrates die Untersuchung, didonteV te decomenoi logon par’ allhlwn.“ (La. 187 d 2)
- Als solchermaßen rätselhafte Figur könnte uns der historische Sokrates allenfalls in seinen Wirkungen greifbar werden: sein philosophisches Gespräch gilt der „Wissensbildung“ und Beförderung eines „autonomen Subjekts“.[23] Die eintretende Entwicklung betrifft Menschen und ihr Situations- und Selbstverständnis, die sich im Laufe der Zeit wandeln können. Auf einen solchen Prozeß und Resultate der Veränderung weisen die Gesprächsteilnehmer, die Sokrates begegnet sind, im platonischen Dialog hin:
„Du weißt […] wie es ist, wenn man zu den nächsten Gesprächspartnern des Sokrates gehört […]. Auch wenn man zunächst von etwas ganz anderem redet, läßt er nicht locker und führt einen im Gespräch herum […], daß man über sich selbst Rechenschaft ablegt (prin ‹an› empesh eiV to didonai peri autou logon)[…] bis das alles einer genauen Prüfung unterzogen“. (La. 187 e 6-188 c 2)
Sokrates fordert die begründete Rede ein. „Im philosophischen Dialog stehen die Subjekte, nicht ihre Meinungen, auf dem Spiel.“[24]
- Der historische Sokrates aber bleibt verdeckt, denn in Platons Werken begegnet er uns als
literarische Fiktion: vor die Ebene des breit ausgeführten Realkontextes, der die Gestalten in ihrem politischen Handeln präsentiert, z.B. La. 178 a 2: Nikias, Feldherr und Haupt der Friedenspartei in Athen [Friede zwischen Athen und Sparta 421 v. Chr.], der während der Sizilien-Expedition 413 v. Chr. auf den Rat eines Mantikers hin (vgl. La. 195 e 5 Ti de; mantei au oiei proshkei ta deina gignwskein kai ta Jarralea;) eine für Athen und das eigene Leben verhängnisvolle Entscheidung traf; Laches, der als Hoplites in der Schlacht bei Delion kämpft und sich, zusammen mit Sokrates zurückzieht (vgl. La. 181 b 2 mit 190 e 5 und 193 d 6); die beiden nach ihren Großvätern benannten Söhne des Melesias und Lysimachos: Thukydides, Parteiführer und Sprecher in der Volksversammlung Athens; Aristeides, Verdienste um Athen in Kriegen und bei der Verwaltung der Bundesangelegenheiten [Gründung des delischen Bundes] – wird mittels der künstlerischen Gestaltung des Autors eine weitere Ebene eingeschaltet, die von den Techniken der Dialogregie bestimmt ist. Dazu zählen etwa auch die Zitate und Verweise auf andere Autoren oder Sprichwörter im Text (vgl. La. 191 a 8, 197 d 3, 201 b 1 u. ö.).
- In diesem Vorgang trägt sich die Perspektive des Autors Platon in den Text mit ein. Der explizite Aufweis der eigenen Ansichten in der Darstellung wird im Dialog nicht gegeben und ist auch nicht notwendig gefordert: im ‘Laches‘ spricht er an keiner Stelle in eigenem Namen über sein Philosophieren.
- Das hermeneutische Problem ist erkennbar, denn es handelt sich im vorliegenden Text nicht um eine philosophische Lehrschrift oder einen Traktat, sondern um eine literarische Gestaltung in Form eines Dialogs mit unterschiedlichen Gesprächspartnern: Wo findet sich Platons Philosophie wieder? Durch welche Figur spricht er sich selbst im Dialog aus? Muß man nicht und – vor allem: wie läßt sich seine Philosophie mittels solcher Quellen rekonstruieren? Liegt die eigentliche Philosophie Platons jenseits der Texte, in einer nur mündlich mitgeteilten Lehre? Und schließlich: wie kann man sich auf dieser Grundlage dem historischen Sokrates überhaupt noch annähern; ist es möglich, sokratisches und platonisches Gedankengut voneinander abzugrenzen?
Das „sokratische Erbe wird für uns immer nur als ein Erbe sichtbar, das Platon bereits angetreten und seinem Gestaltungswillen unterworfen hat.“[25] Platon bedient sich in der literarischen Gestaltung in Form des Dialogs Elementen der Gesprächsführung, wie sie für Sokrates Philosophieren maßgeblich gewesen sind: es treten
„neben die allen Formen des Gesprächs gemeinsamen ›theoretischen‹ Elemente Frage und Antwort, Behauptung und Bestreitung die Elemente Beweis und Widerlegung und neben die allen Formen des Gesprächs gemeinsamen ›praktischen‹ Elemente Streit und Verständigung das Element der (in ihren Wirkungen aufzusuchenden) Reziprozität von Lehren und Lernen oder die Bildung eines gemeinsamen (philosophischen) Subjekts der Wissensbildung.“[26]
b) Formgebung
Wir haben oben angedeutet, daß die Forschung sich in der Beurteilung der Frage, ob es eine notwendige innere Beziehung der literarischen Form auf die dargestellten Gedanken und den Inhalt der Philosophie Platons gebe, nicht einig geworden ist. Verweist die literarische Form des Dialogs auf eine spezifische Weise des Philosophierens und der philosophischen Wissensbildung oder stellt der Dialog nur ein beliebiges äußeres Mittel dar, das zu didaktischen Zwecken eingesetzt oder aus ästhetischen Gründen gewählt wurde? Bewirken die Wahl der Dialogform und die eingeschobene fiktive Ebene in der textlichen Mitteilung nicht eher Verwirrung und erschweren dem Leser den Zugriff auf die philosophische Aussage Platons? Steht man dadurch nicht vor der Aufgabe, den präzisen Gehalt und dogmatischen Kern unter der dialogischen Einkleidung freilegen zu müssen?
Auf der anderen Seite: Es ist mit der Wahl dieser Form dem Autor Platon ein Instrument an die Hand gegeben, das ihm erlaubt hat, anders als in einer systematischen Lehrbuchform Inhalte zu vermitteln und sich damit zugleich – im Medium des geschriebenen Wortes – der Sokratischen Gesprächspraxis anzunähern, diese entsprechend abzubilden. Die Form des Dialogs läßt dem Autor in der Mitteilung seiner Gedanken einen größeren Spielraum und Freiheit bzw. Möglichkeiten der Wiedergabe:
- Alle Meinungen lassen sich unkommentiert darstellen: der Dialog erlaubt den Vortrag bestimmter Auffassungen und Meinungen, ohne daß man in einer expliziten Stellungnahme darauf eingehen müßte.
- Im Dialog kann der Autor die eigene Position zurückhalten oder als Äußerung einem fremden Sprecher in den Mund legen.
- Themen, die vorab nicht systematisch geklärt wurden, brauchen nicht in Betracht gezogen zu werden. Bei strittigen Fragen wird auf den späteren Zeitpunkt einer genaueren Untersuchung verwiesen oder stillschweigend an vorliegenden Ergebnissen angeknüpft, ohne eine neuerliche Beweisführung. Es können auch vorläufig Teilaspekte erörtert werden (vgl. La. 190 c 10), ohne daß damit gegen die Regeln einer umfassenden systematischen Erörterung verstoßen wird. Einen Zwang systematischer Vollständigkeit gibt es im Gespräch nicht. Eingenommene Positionen lassen sich im Laufe des Gesprächs revidieren, ohne daß man das bisher Vertretene neu schreiben müßte.
- Der Dialog erlaubt die Anwendung verschiedener literarischer Mittel, z.B. der Ironie, des Gebrauchs von Metaphern oder der Einkleidung von Aussagen in mythologische Gestalt.
- Der Dialog ist auch das Medium in dem mittels der Dialogregie die literarisch gestalteten Charaktere Dinge darstellen, die man so nicht unmittelbar sprachlich aussagen will bzw. die sich manchmal gar nicht aussagen, sondern „nur“ zeigen lassen.
Der Dialog ist die literarische Form, in der die Interaktion der Teilnehmenden demonstriert werden kann. Die Akteure werden gezeigt im Fragen, Antworten, Verstehen, Mißverstehen, Erörtern und Verteidigen. Es geht nicht so sehr darum, ein fest umrissenes Wissen in Sätzen zu präsentieren, ein definitorisches Wissen, sondern die Bemühungen zu zeigen, die Menschen in einer Orientierung auf begründetes Wissen hin leiten, um darin eine andere, spezifische Gestalt des Wissens hervorzuheben. Sprachliche Ausdrücke wie z.B. „verstehst du?“, „meinst du nicht auch?“, „wie meinst du das?“ sind Signale der Bemühung, die auf Verständigung und Einverständnis abhebt.
„Die Philosophie glaubt heute eingesehen zu haben, daß sie sich, will sie nicht einer Selbsttäuschung zum Opfer fallen, nicht nur als Doktrin, sondern auch als Tätigkeit verstehen muß.“[27]
Die Gesprächspartner haben die Möglichkeit, sich aufeinander einzulassen und gemeinsam die Thesen zu analysieren, ihre Schwächen ausfindig zu machen und Gegenthesen zu erstellen. Der Weg einer konkreten Auseinandersetzung mit einem Sachverhalt, bei dem sich ein Gedankengebäude auf Grundlage einer These aufbaut, wird vorgestellt. Die Verständigungsbemühungen der Menschen stehen deshalb im Zentrum des gemeinsamen Gesprächs.
Im Dialog treten die Subjekte, Sprecher und Adressaten einer jeden Rede, auf die Bühne: die Gestalten von ausgeprägter Individualität bringen sich – verhüllt-unverhüllt – mit ihren Absichten, Überzeugungen, Vormeinungen und Vorurteilen ins Gespräch und Geschehen ein. Die Erkenntnisse und Fertigkeiten, wie sie sich dem Menschen nur im konkreten Gespräch, in der Mündlichkeit erschließen, gelangen durch die Form des Dialogs zur Anschauung. Die Kompetenzen des Sprechenden werden im Gebrauch von Dingen und im Umgang mit ihnen sichtbar. Sokrates öffnet seinen Gesprächspartnern die Augen und führt sie hinein in eine Klärung der ihnen nicht immer bewußten Voraussetzungen ihrer Rede und Ansichten und zu
einer Aufklärung von Scheinwissen. Das stellt das Zentrum seiner Bemühung um eine philosophische Orientierung dar. Im sokratischen Gespräch zeigt sich der Mensch als der, der er wirklich ist. Das sokratische Gespräch transportiert nicht allein Wissen oder dient dem Informationsaustausch, sondern verändert mit den Situationen zugleich auch die Subjekte.
„Es war das Vorbild der Gesprächspraxis seines Lehrers, durch das Platon veranlaßt wurde, für diese Darstellung eine Form zu wählen, die deutlich macht, daß selbst theoretische Erörterungen nicht nur Wissensinhalte, nicht nur Thesen und Hypothesen, sondern zugleich immer auch die Subjekte des Wissens betreffen.“[28]
Die von Sokrates eingeforderte Rechenschaftsabgabe (logon didonai) bezieht sich einerseits auf objektive Inhalte, der Sache nach aber zugleich auch auf die Rechenschaft gebende Instanz selbst. Der Autor kann künstlich (dramaturgisch) eine Verbindung zwischen dem dargebotenen gesprochenen Wort und dem dahinterstehenden, den Figuren zugehörigen Realkontext herstellen und eine Spannung aufbauen. Was eine Person äußert, soll auf dem Hintergrund der gesamten Lebensgeschichte verstanden werden. Der zeitgenössische Leser hat die Spannung zwischen Stilisierung und realem Vorbild wahrgenommen. Jeder Gestalt entspricht ein historisches Vorbild, das der Leser noch kannte. Die im ‘Laches’ versuchte allgemeingültige Wesensbestimmung in bezug auf die Tapferkeit und die im aufgespannten Realkontext dargestellte Kontingenz der Situation bewirken z.B. einen Kontrast, der den Lesern vor Augen führt, wie die vor aller Thematisierung liegende Vertrautheit der Gesprächsteilnehmer mit den Dingen nunmehr zum Gegenstand der Reflexion gemacht wird.
In dieser Hinsicht gelingt es der dramatischen Form, den Hiatus zwischen dem geschriebenen Wort und einer sich darin aussagenden Instanz, die den kompetenten Träger des Wissens verkörpert, zu überwinden und wieder rückgängig zu machen. Was in Platons Schriftkritik[29] dem geschriebenen Text als Schwäche angelastet ist, wird in Platons Dialogen als einer angemessenen Form der Darstellung Sokratischer Gesprächspraxis, in der Wissen nicht vom Subjekt isoliert betrachtet bzw. gelöst wird, aufgehoben und zugleich auch überwunden.
4. Die Sokratische Gesprächspraxis im Einleitungsteil des ‘Laches’ (178 a 1-190 b 2)
Die philosophische Erörterung kann nicht losgelöst von den Subjekten betrachtet werden. „Philosophie ist argumentatives Handeln unter einer Vernunftperspektive und insofern eine Lebensform.“[30] Im Dialog ‘Laches’ werden Menschen vorgestellt, die von der Überzeugung geleitet werden, daß eine rationale Diskussion in moralischen Angelegenheiten möglich sei, daß in gemeinsamer Beratung sich eine (philosophische) Orientierung vollzieht.
Zwei alte athenische Männer, Lysimachos und Melesias, ruhmlose Söhne der berühmten Politiker Aristeides und Thukydides, haben gemeinsam mit Nikias und Laches, angesehenen Feldherren, einem Meister der Waffenkunst, Stesilaos, beim Kampf in voller Rüstung zugesehen (178 a 1). Nach der Vorführung erklären diese ihre Absicht (178 a 2): sie erhoffen
sich einen Rat für die Erziehung ihrer Söhne, die sie zu möglichst guten Menschen machen wollen (179 d 7). Von der eigenen Erziehung halten sie nicht viel (179 c 6): sie werfen ihren Vätern Fehler und Versäumnisse vor, die sie in der Erziehung ihrer Söhne selbst nicht begehen wollen. Im Gegenteil: man will – der Gleichgültigkeit der Menge (179 a 6) zuwider – kein Mittel der Bildung unversucht lassen, um den Ruhm der Großväter sich in den Enkeln erneuern zu sehen (179 d 3). Ist die Waffenkunst ein zweckmäßiges Mittel, das man einem jungen Mann zur Lehre oder Übung empfehlen kann? (180 a 4) Die beiden alten Politiker aus Athen erwarten sich einen kompetenten Rat, ein offenes Gespräch (179 c 1 parrhsiasomeJa proV umaV) ohne Verstellung aufgrund falscher Rücksichtnahme (178 a 5-178 b 6). Laches willigt ein, drückt zugleich aber seine Verwunderung darüber aus, daß man Sokrates, der zugegen ist, als kompetenteren Ratgeber nicht zum Gespräch aufgefordert habe (180 c 1), denn jener sei ein Fachmann in Fragen der Erziehung, der mit hilfreichen Vorschlägen für die Jugendbildung (180 c 9) und mit eigenem tüchtigen Handeln während der Flucht der athenischen Streitkräfte in der Schlacht beim Delion (181 b 1) seine Fähigkeiten unter Beweis und um Rat Suchende zufrieden gestellt habe. Sokrates ist bereit, an der Unterredung mitzuwirken, möchte aber aus Altersgründen und weil er lieber von Fachleuten lernen will, Nikias und Laches den Vortritt lassen. Was wir zunächst hören, sind die Erfahrungsurteile zweier Sachkenner über technische Dinge.
Nach Nikias Auffassung (181 d 8-182 d 5), der aus der Sache heraus argumentiert und die ‚opinio communis‘ wiedergibt, ist die Kunst des Waffenkampfes nützlich. Sie trainiert den Körper, ist dem freien Mann angemessen und eine gute Vorbereitung für den Krieg, für den Einzelkampf und um Widerstand zu leisten. Gleichzeitig bewirkt sie das Verlangen nach weiterer militärischer Ausbildung, um Taktik und Strategie für die Kriegführung zu erlernen. Solches Wissen (maJhma) ist für den Menschen schön (182 c 3) und verleiht ihm Tapferkeit und Kühnheit (182 c 6).
Die Beurteilung zeigt, daß Nikias als Militär zunächst das Kriegsgeschehen im Auge hat, dem er die Tapferkeit zuordnet. Die Erziehung läuft auf eine Ertüchtigung hinaus: eine bessere Haltung zu gewinnen und dem Feind furchtbarer zu erscheinen (182 c 8-d 2). Erler[31] sieht in diesem Statement zusätzlich (1) einen Wissensoptimismus, der sophistisch geprägt ist, (2) eine Abstufung, die an Platons Lehre des Aufstiegs zum Schönen erinnert, sowie (3) eine Gleichsetzung des technischen Wissens (maJhma) mit dem in anderen Fällen verwendeten Begriff episthmh vorliegen.
Laches widerspricht dem Nikias, indem er auf die Erfahrung verweist (182 d 6-184 c 5): zwar ist er grundsätzlich der Meinung, daß es sinnvoll sei, sich von allen Lehren eine Kenntnis anzueignen (182 d 7), doch zweifelt er, ob die Waffenkunst zu den maJhmata gerechnet werden kann (184 b). Die tapferen Krieger aus Sparta, denen die Fechtkünstler nichts gelten, der Ruhm, den die Fechtkünstler sich niemals in einem Krieg erwerben konnten und die Feigheit des Stesilaos im Kampf (183 c 8-184 a 7), dienen ihm als Argumente für seine Skepsis: er zweifelt am Nutzen dieser Kunstfertigkeit (184 b 1-c 3). Er unterscheidet auch zwischen Kühnheit und Tapferkeit des Kriegers (vgl. 184 b 5 mit 182 c 6), während Nikias beides zunächst noch als eine Einheit bestimmt.
Im weiteren Verlauf des Gesprächs werden sich ihre Positionen vertauschen und Nikias im letzten Definitionsversuch (194 c 7-199 e 12) an entscheidender Stelle eine Differenzierung vornehmen (197 b 1), woraufhin Laches ihn in die Nähe der Sophisten Damon und Prodikos rücken und sich zugleich von seiner ursprünglichen Position verabschieden wird (197 d 6). Beide Kontrahenten aber nehmen zu Beginn des Gesprächs in der Bestimmung noch keine Unterscheidung vor zwischen natürlicher Anlage und ethischer Form (areth) der Tapferkeit.[32] Für sie bilden zunächst die körperliche Verfassung und gesellschaftliche Stellung Kriterien für die Definition der andreia.
Die gegensätzliche Beurteilung zwingt Lysimachos, den Sokrates zum Schiedsrichter (epidiakrinountoV) zu bestellen: der aber geht im Entscheid nicht wie Lysimachos auf bloße Dezision aus (184 d 5), sondern bindet die Beteiligten im Bemühen um eine Orientierung an die Kompetenz, die aus Kenntnis (episthmh) und Sachverstand (tecnh) (184 e 8; 185 a 1) gewonnen wird. Auf der Suche nach dem Gegenstand der Kompetenz, stellt Sokrates die Beteiligten an den Anfang (arch) und führt der Vernunft die logisch-ontologische Relation von Mittel und Zweck vor (185 b 9-d 7): die Waffenkunst als Lehrgegenstand ist das Mittel, die Fürsorge für die Seele der jungen Leute (yuchV qerapeia) der Zweck (185 e 1). Gefragt wird nach einem ausgewiesenen Fachmann für die Behandlung der Seele (185 e 4). An zwei Momenten soll die Kompetenz zu verifizieren sein: a) daß man sich auf einen bewährten Lehrer berufen, oder b) daß man bereits eigene Lehrerfolge vorweisen kann (186 a 6-b 5). Sokrates kann sich nicht auf Lehrer berufen – in die Schule der Sophisten konnte er aus Geldmangel nicht gehen – (186 c 1), fordert für den weiteren Verlauf der Erörterung von den Experten, die sich widersprüchlich geäußert haben, seiner bekannten Untersuchungsmethode gemäß die Prüfung (188 a 3) ihrer Äußerungen, ob sie auch ordentliche Fachleute für das zur
Diskussion stehende Problem seien. Zwischen dem ungeprüften Wissen der beiden Alten und den Ansprüchen des Nikias und Laches, die im weiteren Verlauf als Scheinwissen entlarvt werden, steht – ironisch – Sokrates mit seinem Nichtwissen: ein Wissen, daß „nicht in dem Sinne eines technischen Wissens gleichsam als etwas Fertiges aufgefunden werden kann“[33]. Nikias erinnert an die besonderen dialektischen Fähigkeiten des Sokrates. Er bemüht sich, den positiven Sinn der Elenxis hervorzukehren. Ihn hindert nichts, dem Vorschlag zuzustimmen (188 c 2 Swkratei sundiatribein opwV outoV bouletai), um sich lehren (didaskein) und widerlegen (elegcein) zu lassen (189 b 2). Laches sieht in Sokrates Haltung keine Rechthaberei am Werk, eine Redekunst, die zum Selbstzweck geworden, sondern eine Bemühung, die auf eine Einheit des Sprechenden mit seinen Worten zielt und durch die Lebenspraxis gedeckt ist (188 c 6-d 2): der wahrgenommenen armonia, ungekünstelt dorisch (188 d 6), wie sie sich in einem übereinstimmenden Leben in Wort und Tat darstellt, entspricht auf der diskursiven Ebene das angestrebte Ziel begründeter Übereinstimmung, omologia: „dieser redet nicht nur, sondern ist das worüber er redet.“[34]
Die umfangreiche Einleitung war in der Forschung Gegenstand der Kritik. Sie demonstriert bereits in einem Segment Sokratisches Gespräch und Philosophie, nicht anders als es sich im Hauptteil mit seinen ausgeführten Definitionsversuchen als Bemühung um Orientierung weiter fortsetzen wird. Wir fassen zusammen:
- Platon zeigt im Einleitungsteil Subjekte, die von dem Gedanken geleitet werden, etwas Gutes bewirken zu wollen: man überläßt Erziehung nicht dem Zufall, sondern fordert, daß die Seelen der jungen Leute möglichst gut werden (186 a 5).
- Die Gesprächsteilnehmer sind überzeugt, daß es Kriterien für das wirklich Gute gibt. Diese werden auf dem Wege einer vernünftigen Orientierung, die sich in Kompetenz, Sachkenntnis und begründeter Rede realisiert, gesucht. Eine andere Form der Orientierung wird ausgeschlossen.
- Der Dialog stellt in eine Beratungssituation hinein. Hier wandeln sich nicht nur Anschauungen, sondern auch die teilnehmenden Subjekte als die Bedeutung tragenden Instanzen werden, durch das veränderte Situationsverständnis in ihrem Selbstverständnis mit betroffen. Der Einheit von Wort und Tat im alltäglichen Leben, armonia, entspricht im Dialog die Einheit von Verständigung und Begründung, omologia.
- Der vernünftige Dialog geschieht nicht zum Selbstzweck. Die Redenden müssen nicht sich selbst behaupten, da das verfolgte Ziel jenseits der Subjekte, in einem gemeinsamen – noch aufzufindenden – Objekt, verfaßt liegt.
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Anmerkungen
[3] So die Bezeichnung bei Olof Gigon, Platon. Frühdialoge oder Wolfgang Detel, Bemerkungen, 308; anders Hartmut Erbse, 21, der von ‚Jugenddialogen‘ spricht.
[4] Dazu gehören ‘Laches’, ‘Charmides’, ‘Euthyphron’, ‘Lysis’, 1. Buch der ‘Politeia’ (‘Thrasymmachos’), ‘Protagoras’, ‘Apologie’ und ‘Kriton’; ‘Gorgias’, ‘Menon’, ‘Euthydemos’, ‘Kratylos’ und – falls echt – ‘Ion’, ‘Alkibiades’ I und II, ‘Menexenos’, ‘Hippias’ I und II.
[6] Vgl. dazu ‘Parmenides’, ‘Theaitetos’, ‘Sophistes’, ‘Politikos’, ‘Philebos’, ‘Nomoi’ und ‘Kratylos’.
[7] Im ‘Laches’ bietet der Dialog wiederholt den Hinweis auf die Schlacht bei Delion, 424 v. Chr. Der Gesprächsteilnehmer Laches fiel in der Schlacht bei Mantinea (418 v. Chr.). Ein eventuelles historisches Gespräch der Beteiligten muß zwischen diesen beiden Eckdaten stattgefunden haben. Die Abfassung des Dialogs durch Platon liegt jedoch zu einem anderen Zeitpunkt: Hartmut Erbse, 22, setzt diesen erst nach 388/7, mit der Rückkehr Platons aus Sizilien, an.
[9] Vgl. Karl Friedrich Hermann, Geschichte und System der platonischen Philosophie, Teil 1, Heidelberg 1839, 355 f.
[10] Einen genaueren Überblick dazu bieten Rudolf Schrastetter, 75-77 und Hartmut Erbse, 25-28; 25: letzterer nimmt – gegen Werner Steidle, Der Dialog Laches und Platons Verhältnis zu Athen in den Frühdialogen. In: Museum Helveticum 7 (1950), 129-146 – an, der ‘Laches’ „sei sicherlich noch vor dem Menon und bald nach dem Protagoras niedergeschrieben worden.“
[11] Vgl. Karl Schaarschmidt, Die Sammlung der platonischen Schriften zur Scheidung der echten von den unechten untersucht, Bonn 1866, 406 ff.
[12] Die Erörterungen in der zweiten Hälfte des ‘Laches’ werden durch den Begriff ‚aporetischer Definitionsdialog‘ charakterisiert; vgl. dazu Walter Schulz.
[22] Nach Platon, Krat. 390 c ist der Wächter über die Arbeit des Gesetzgebers derjenige, der „zu fragen und zu antworten weiß“: der Dialektiker.