Micu Ioana
Die übersetzungskunst in Meltzls zeitschrift Acta Comparationis Literarum Universarrum
Beginnend mit Meltzl´s drei programmatischen Aufsätzen, die eigentlich die Bestrebungen und Aufgaben der Zeitschrift veranschaulichen sollen, wird uns bewusst gemacht, dass die Bekanntmachung der Literatur anderer Länder von großer Bedeutung ist (obwohl Meltzl die Meinung vertritt, dass außer den deutschen, englischen, französischen Literaturen alle anderen fast ausschließlich Volksdichtung hervorgebracht hätten). Ohne andere Literaturen zu kennen, kann man keinen Vergleich anstellen und wenn man eine fremde Literatur nicht fördert, kann natürlich auch die Literatur der eigenen Nation nicht umfassend fördern. Aber wie kann man sich mit den Literaturen anderer Länder auseinandersetzen, wenn man die Sprache der betreffenden Nation nicht so beherrscht, dass man wirklich den Sinn eines bestimmten Werkes adäquat erfasst und genau das versteht, was die Intention des Autors ist?
Das alles will die Klausenburger Zeitschrift leisten, sie möchte wirkliche, authentische Übersetzungen liefern, aber sich nicht nur auf die Übersetzungskunst beschränken, sondern auch den Vergleich verschiedener Werke (und Übersetzungen) vornehmen, oft diejenigen, die von verschiedenen Autoren übersetzt worden sind. “Jedenfalls,“ meint Meltzl, „ist und bleibt die Übersetzungskunst eine der wichtigsten und schönsten Werkzeuge zur Verwirklichung unserer hohen vergl. litterar. Ziele.“
Tatsächlich bleibt die Übersetzungskunst eine wichtige Aufgabe der Zeitschrift, denn durch die Übersetzung kann der internationale Austausch, die Zirkulation der verschiedenen Literaturprodukte leichter durchgeführt werden, doch selbst die best gelungene Übersetzung lässt immer etwas zu wünschen übrig. Deshalb konfrontiert Meltzl das Prinzip der Übersetzung mit dem des Polyglottismus. Er ist der Ansicht, dass sich die Übersetzung auf einen indirekten Literaturverkehr beschränkt, im Gegensatz zum “Prinzip des Polyglottismus, welcher der direkte Verkehr selbst ist“.
Meltzl gibt sich Rechenschaft, dass dieser Polyglottismus die Ausnahme darstellt, doch das hält ihn nicht davon ab, dieses sein Ziel durch die Zeitschrift zu verwirklichen zu versuchen. Meltzl behauptet, dass alle Völker ein einziges Alphabet annehmen müssten, aber er widerspricht sich in einem weiteren Artikel, wenn er ausruft “Heilig und untastbar sei die Nationalität als Volksindividualität!” Mit der Annahme eines fremden Alphabets würde dieser Ausdruck der Volksindividualität annulliert werden.
In einem anderen Aufsatz aus dem Jahre 1880 bestimmt Meltzl die Aufgaben eines Dolmetschers bzw. Übersetzers. Die beiden sind ganz voneinander zu unterscheiden. Ein Dolmetscher ist nur darum bemüht, den Inhalt aus einer Sprache in die andere zu übertragen, ohne daran interessiert zu sein, den Inhalt besser zu erfassen und passender wiederzugeben.
Im Gegensatz zu ihm setzt sich der Übersetzer ein höheres Ziel; er muss sich neben den üblichen Textsorten auch ganz Außergewöhnliches vornehmen. Meltzl vergleicht des öfteren den Übersetzer mit einem Maler x, der zum Beispiel eine Kopie von einem ganz berühmten Bild anfertigen muss. Dabei darf er nicht nur die Farben und Formen wiedergeben, sondern er muss auch versuchen, den Geist und den Inhalt des betreffenden Bildes zu veranschaulichen.
Im September 1879 evozierte Prof. Büchler in einer Eröffnungsrede die Aufgaben der Übersetzungskunst. Damit sich die deutsche Literatur und Sprache weiterentwickeln, müssten seiner Meinung nach die antiken Klassiker übersetzt werden und zwar so, dass der Sinn auch wirklich erfasst werden kann, dass der Geist der Antike in “Fleisch und Blut der deutschen Nation überführt“ wird, wie Meltzl dies ausdrückt.
Tatsächlich wurden die antiken Klassiker auch übersetzt, doch diese Übersetzungen halfen der deutschen Literaturwelt nicht weiter, denn die gute Kenntnis einer Sprache reicht nicht, um eine wertvolle Übersetzung anzubieten. Es gibt eine enge Beziehung zwischen Sprache und Literatur, und eben hier zeigt sich die Differenz zwischen einem Dolmetscher und einem wahren Übersetzer.
Mit Hilfe eines gelungenen Vergleichs gelang es Meltzl, den Unterschied zwischen Dolmetscher und Übersetzer zu verdeutlichen. Der Dolmetscher oder „commentator“, gleicht einem Spiegel, der überall Löcher hat und deshalb das wahre Ich des Autors nicht widerspiegeln kann. Zum Unterschied von diesem ist der wahre Übersetzer ein Spiegel, der alle Züge und alle Einzelheiten eines Gesichtes wiedergeben kann.
In einem anderen Artikel äußert Meltzl seine Ansicht über Übersetzer und Übersetzungstheoretiker seiner Zeit. Er kritisiert G. Hermann, der vorgab, dass “dieses oder jenes Wort für das oder das Wort steht“. Meltzl stimmt mit Schneidewin darin überein, dass ein Wort nie für ein anderes stehen kann. Weiter behauptete Hermann, dass man Griechisch und Latein lernen soll, aber dass aus diesen Sprachen nicht daraus ins Deutsche übersetzt werden darf. Er will es also nur mit Altphilologen zu tun haben, das Verdeutschte erscheint ihm wertlos.
Anderer Ansicht ist Wolf, der bemüht war, die Kunst der Übersetzung zu fördern. Auch er war einer der Pioniere der Übersetzung, der neben Klopstock die deutsche Sprache zu fördern versuchte, um sie aus ungelenken Formen zu befreien, in denen der Inhalt mancher Übersetzungen (und nicht nur dieser) aufbewahrt wird. Meltzl ist sich bewusst: wenn jemand wirklich ein Übersetzungskünstler werden möchte, muss er die Sprache vorzüglich beherrschen.
In einem anderen Aufsatz entwirft Meltzl eine Theorie des Sprachunterrichts, denn um eine gute Übersetzung zu machen und um die Geistesprodukte verschiedener Völker vergleichen zu können, ist Sprachkompetenz von ausschlaggebender Bedeutung. Dabei gelangt Meltzl zur Überzeugung, dass dann, wenn es einer Übersetzung nicht gelingt, das Originalwerk zu ersetzen, sie dennoch zum Studium der Originalsprache anregen kann.
Deshalb erklärt er den Sprachunterricht „für eine wichtige internationale Angelegenheit. “Es stellt sich die Frage, wie viele es schaffen, nach dem Lernen der Sprache diese auch erlernt zu haben und dabei fragt sich Meltzl wie viele „Abiturienten am Schluss ihrer achtjährigen Studien fähig sind einen klassischen Autor zu übersetzen, geschweige denn einen korrekten griechischen oder lateinischen Aufsatz zu schreiben“.
Seine Zweifel am Sprachunterricht beschreibt Meltzl anhand verschiedener Methoden zur Erlernung von Fremdsprachen; einige werden detailliert dargestellt, andere nur erwähnt. Zu diesen letzten rechnet er die Meidingermethode, die anfangs nicht beachtet wurde, da sie ganz neue Weg eröffnete und ebenso neue Perspektiven. Es handelt sich um das Erlernen von grammatischen Regeln einer Sprache durch Übersetzen aus der betreffenden Sprache .
Meidingers glaubte, dass bisher die Sprache den Regeln folgte, „wir wollen einmal versuchen, die Regeln der Sprache nachfolgen zu lassen“.
Diese Methode gewann nach und nach an Zuspruch, und es gelang ihr, sich einigermaßen durchzusetzen. Eine andere von Meltzl erwähnte Methode war die Jacotot-Methode die voraussetzte, dass der Sprachunterricht hauptsächlich mit „viva voce“ erteilt wird. In der ersten Phase wiederholt der Schüler einen gewissen Satz, bis er die Betonung aller Wörter richtig verstanden und sich eingeprägt hat, dann wird der betreffende Satz übersetzt, mit der eigenen Muttersprache verglichen und schließlich muss der Schüler neue Ausdrücke mit Hilfe der Wörter des ersten und des zweiten gelernten Satzes bilden.
Andere Methoden des Spracherlernens sind die Ahn-sche Methode und die Ollendorf-Methode. Alle Methoden werden von Meltzl beschrieben und er glaubt zuletzt, dass es auch Leute gibt, die sich eine Sprache instinktiv aneignen, „wie die Spinne ihr Netz webt“ und dass jeder seine Muttersprache oder eine in der frühen Jugend erlernte Sprache auch ohne Sprachlehre gut beherrschen und gute Übersetzungen anfertigen kann.
Ein anderes Problem, das während des Übersetzungsprozesses auftauchen kann, ist der Umstand, dass jeder Text in unterschiedlichen Ausgaben vorliegen kann. Es gibt trotzdem Fälle, wo man sich bewusst wird, dass es mehrere Editionen gibt, die man nicht alle gleichermaßen in Betracht ziehen kann, so dass man letztlich seine Lieblingsvariante oder die populärste Version zum Übersetzen wählt. Jeder Übersetzer muss eine Wahl treffen und ob er auch wirklich die beste gewählt hat, können danach andere kritisch entscheiden. Das ist auch der Fall bei Meltzl, der zwei verschiedene Übersetzungen des klassischen Dichters Horaz vergleicht. Es handelt sich um die Übersetzungen von Gilbert Wakefield und von Lucian Müller. Dabei analysiert und vergleicht er die beiden Autoren sehr kritisch und detailliert, denn er vertritt die Auffassung, dass „das Hauptvergnügen beim Lesen eines Dichters besteht nicht in der Erregung von Gedanken und Ideen die durch seine Worte unmittelbar eingegeben werden, sondern vielmehr in denen, welche dadurch veranlasst das Feld einer gleichsam schöpferischen Tätigkeit unserem Geiste eröffnen.“ Am Ende kann er sich nicht endgültig für eine der Versionen entscheiden, er kann nur schlussfolgern, dass diese ein Beispiel für die Flüchtigkeit sind, mit welcher der jeweilige Übersetzer zu Werke ging.
Wegen der Ausführlichkeit mit der Meltzl die beiden Übersetzungen untersuchte, wegen der Mühe, die er sich dabei gab, um gute Übersetzungen in seiner Zeitschrift zu fördern, kann man schlussfolgern, dass dieses Problem Meltzl intensiv beschäftigt hat. Wahrscheinlich versuchte er mit Hilfe dieser theoretischen Überlegungen über die Übersetzungskunst und durch die Publikation zahlreicher Übersetzungen aus verschiedenen Sprachen, die Übersetzer auf den richtigen Weg zu verweisen.
„Falsche Witterungen führen auf falsche Fährten. Schiefe Textberichtigungen veranlassen verfehlte Übersetzungen“- glaubt Meltzl.